Drei Viertel der Honige weltweit enthalten inzwischen Neonicotinoide – viele Proben waren sogar mit gleich mehreren dieser Pestizide verseucht, wie eine Studie enthüllt. Die Pestizide gelangen über den von Bienen gesammelten Pollen und Nektar in den Honig. Zwar sind die gemessenen Konzentrationen für uns nicht akut gesundheitsschädlich, für die Honigbienen aber schon, wie die Forscher im Fachmagazin «Science» betonen.
Neonicotinoide sind die weltweit am häufigsten eingesetzten Insektenbekämpfungsmittel – ein Drittel der Äcker werden mit diesen Pestiziden behandelt. Inzwischen jedoch mehren sich die Hinweise darauf, dass Neonicotinoide für Honigbienen, Hummeln und weitere nützliche Bestäuberinsekten schädlich sind. Sie stören unter anderem deren Orientierungssinn, wirken wie eine Droge und machen Wespen geruchsblind. Die Neonicotinoide stehen daher seit einigen Jahren im Verdacht, mitschuld am weltweiten Bienensterben zu sein.
Honigproben aus aller Welt
Doch wie sich jetzt zeigt, sind die Bienen nicht die einzigen Leidtragenden: Sammeln sie mit Neonicotinoiden verseuchten Pollen und Nektar, gelangt das Pestizid über den Honig auch in unsere Nahrungskette. Wie gross die Belastung des Honigs mit Neonicotinoiden ist, haben nun Edward Mitchell von der Universität von Neuchâtel und seine Kollegen erstmals weltweit untersucht.
Für ihre Studie sammelten die Forscher im Rahmen eines weltweiten Citizen-Science-Projekts 198 Honigproben von allen Kontinenten ausser der Antarktis. Sie analysierten alle Proben auf ihren Gehalt an fünf gängigen Neonicotinoiden: Acetamiprid, Clothianidin, Imidacloprid, Thiacloprid und Thiamethoxam.
Drei Viertel der Honige sind kontaminiert
Das erschreckende Ergebnis: «75 Prozent der Honigproben enthielten messbare Mengen von mindestens einem Neonicotinoid», berichten Mitchell und seine Kollegen. Am höchsten war der Anteil verseuchter Proben dabei in Nordamerika mit 86 Prozent und Asien mit 80 Prozent. Aber auch in Europa waren 79 Prozent aller Honigproben mit Neonicotinoiden kontaminiert.
«Dieses Resultat bestätigt, dass Honigbienen weltweit inzwischen durch Neonicotinoide in ihrem Futter belastet sind», konstatieren die Forscher. Dabei beschränkt sich die Belastung meist nicht nur auf eines dieser Pestizide. Stattdessen nehmen die Bienen häufig einen ganzen Cocktail an Neonicotinoiden auf, wie die Honigproben belegen. In 45 Prozent der Honige fanden die Forscher mehr als zwei Neonicotinoid-Arten, in zehn Prozent der Proben waren sogar vier bis fünf verschiedene Neonicotinoide nachweisbar.
Für uns wahrscheinlich nicht schädlich…
Für uns Menschen ist diese Kontamination (noch) nicht schädlich, wie die Wissenschaftler betonen. Mit Konzentrationen von im Mittel 1,8 Nanogramm pro Gramm Honig liegen die Werte bei den meisten Proben unter den zulässigen Grenzwerten der EU und der USA. Diese liegen je nach Substanz zwischen 10 und 50 Nanogramm pro Gramm. Bei zwei Honigproben jedoch überschritten die Gesamtwerte aller Neonicotinoide dieses Limit.
«Nach bisherigem Kenntnisstand dürfte der Genuss von Honig daher nicht gesundheitsschädlich sein», so Mitchell und seine Kollegen. Allerdings: Gerade in jüngster Zeit haben Studien Hinweise auf subtile Effekte der Neonicotinoide auch auf den Hirnstoffwechsel von Säugetieren und auch dem Menschen gefunden. «Dies könnte in Zukunft dazu führen, dass die zulässigen Höchstmengen für Neonicotinoide in Lebensmitteln neu bewertet werden müssen», so die Forscher.
Für die Honigbienen jedoch zeichnen die Testergebnisse ein düsteres Bild. In 34 Prozent der Proben fanden die Forscher Konzentrationen, die als schädlich für Bienen gelten. Die Insekten nehmen die Pestizide damit nicht nur direkt über Pollen und Nektar auf, sie verseuchen sich zusätzlich auch über ihren eigenen Honig. Dieser dient vor allem im Winter und in blütenarmen Zeiten als Notnahrung.
Besondere Sorge bereitet den Wissenschaftlern die Tatsache, dass in so vielen Honigproben gleich mehrere verschiedenen Neonicotinoide enthalten waren. «Solche Cocktails stehen im Verdacht, weitaus schwerwiegender zu schaden als die blosse Summe der einzelnen Effekte», betonen Mitchell und seine Kollegen. «Bei einem grossen Teil der Proben sind negative Auswirkungen auf die Bienen daher sehr wahrscheinlich.»
Quelle und weitere Informationen
Science, 2017; doi: 10.1126/science.aan3684)