Adaptiert und verändert nach: Siefert P, Buling N, Grünewald B (2021) Verhalten von Honigbienen im Bienenstock: Erkenntnisse aus der Langzeitvideoanalyse. PLoS ONE 16 (3): e0247323. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0247323.
Nach der Eiablage durch die Königin (vgl. Video unten) bleibt das Ei bis zum Schlupf der Larve (drei Tage später) unbeweglich.
Bei der Zell- resp. Brutinspektion durch Arbeiterinnen, können die Eier nach unten in Richtung Zellboden gedrückt werden (vgl. Video unten).
Arbeiterinnen besuchen die Zellen einerseits, um Wärme in der Wabe zu erhalten (Clustering). Andererseits, um Wärme zu erzeugen (direkte Inkubation). Dabei bleiben die Arbeiterin und ihre Fühler bewegungslos. Diese Beobachtung von Siefert et al. stimmt mit früheren Interpretationen überein, dass nämlich ein «Umkippen des Eis» nicht zum normalen Prozess der Embryonalentwicklung gehört (vgl. Video unten).
Der Schlupf der Larve aus ihrer aufrechten Position wird durch Biege- und allmählich zunehmende Beugebewegungen eingeleitet, bis das vordere Ende des Eis die Wachsoberfläche berührt. Danach zieht das Ei sich nicht mehr aufrecht und sinkt allmählich zum Zellboden oder in einigen Fällen zur Seitenwand der Zelle hinab (vgl. Video unten). Während des Schlupfs werden die Eimembranen vollständig aufgelöst. Die erste Fütterung erfolgt ca. 95,2 ± 11,3 Minuten nach dem Schlupf der Larve.
Zell-Inspektionen beinhalten die Aufnahme und Verarbeitung von sensorischen Informationen zur Bestimmung des Zellinhalts, der Lage, des Status und des Alters der Brut etc.. Hauptmerkmal von Inspektionen ist die häufige Bewegung der Antennen. Während des Heiz- oder Ruheverhaltens, welches sich durch die Häufigkeit der abdominalen Pumpbewegungen auszeichnet, ist keine Antennenbewegung der Arbeiterin vorhanden.
In Zellen, welche eine sehr junge Larve enthalten, werden die Inspektionen oft von Längsdrehungen des Arbeiterinnenkörpers begleitet. Diese Drehungen spiegeln den Versuch der Arbeiterin wider, die richtige Position neben der Larve für die Nahrungsübergabe zu finden.
Der Fütterung geht immer eine Zell-Inspektion voraus, bei der die Arbeiterin starke Antennenbewegungen zeigt und ihre Mundwerkzeuge und Antennenspitzen auf die Larve richtet. Nach der Inspektion beginnt die Arbeiterin mit ihren Mandibeln zu vibrieren, während sie sich allmählich der Larve nähert.
Während der Nahrungsaufnahme bleiben alle Tagmata in der Regel bewegungslos, während sich die Antennen weiterhin leicht bewegen. Während die Nahrung für junge Larven sorgfältig positioniert werden muss (vgl. Video unten), können die Arbeiterinnen die Nahrung an jeder Stelle der umgebenden Zellwände in der Nähe einer Larve, die drei Tage oder älter ist, ablegen.
Siefert et al. beobachteten die meisten Larvenbewegungen nach Fütterungsereignissen, was auf die Absicht der Larve hindeutet, die frisch angebotene Nahrung zu erreichen. Zum Beispiel bewegen sich Larven, die eine Mund-zu-Mund-Fütterung erhalten, nach der Nahrungsübergabe nicht (vgl. Video unten).
Die Arbeiterinnen bieten die Nahrung jedoch nicht ausschliesslich in der Nähe oder im Mund der Larve an, wie bislang vermutet. Zudem haben Siefert et al. nie eine Nahrungsbereitstellung vor dem Schlüpfen der Larve beobachtet. Fütterungen (einschliesslich Inspektionen) dauern an den Larvenentwicklungstagen 1-6 jeweils 122,0 ± 10,4, 118,1 ± 3,3, 133,0 ± 4,8, 122,4 ± 2,8, 89,3 ± 2,4, 79,8 ± 2,8 Sekunden. Die auffällige Abnahme zwischen Tag 4 und 5 könnte mit dem Wechsel von «worker jelly» zu «modified worker jelly» einhergehen, wie andere Forscher bereits berichtet haben.
Nachdem die Larve ihre letzte Fütterung erhalten hat, beginnt die Verpuppung mit klopfenden Bewegungen des vorderen Endes der Larve. Dort, wo sich die Seidendrüsen befinden (vgl. Video unten).
Diese Bewegung leitet den Übergang von Quer- zu Längsdrehungen (von nun an: «Saltos») innerhalb der Zelle ein. Siefert et al. haben 57,1 ± 1,5 Saltos während der Verpuppungsphase gezählt. Die Verpuppung dauerte 32,2 ± 0,5 Stunden. Für einen Salto wurden 34,1 ± 0,7 Minuten benötigt.
Das zum Wabenbau verwendete Wachs kommt in zwei Formen vor: Zum einen als transparente, jungfräuliche Wachsschuppen. Zum anderen als undurchsichtige Fäden, welche aus vorhandenem Wachs innerhalb der Kolonie gebildet werden. Letztere wurden in den Beobachtungen von Siefert et al. überwiegend bei «Notsituationen» im Bienenstock gesehen.
Die Verwendung von Wachsfäden konnte auch später in der Entwicklung der Kolonie beobachtet werden. Da der Umbau von Waben auch Arbeiterinnen mit unentwickelten Wachsdrüsen einschliesst, ermöglicht er rasche Verschiebungen in der Arbeitsteilung.
Um einen Wachsfaden zu erzeugen, bewegt die Arbeiterin ihren Kopf schnell hin und her, während der Faden zwischen den Mandibeln ausgefahren wird (vgl. Video unten).
Die Wachsfäden können mehrere Millimeter lang sein und werden unter dem Caput und Thorax ausgezogen.
Lange Fäden werden zum Transport mit den Prothoraxbeinen und den Mandibeln zusammengefaltet. Um eine Wachsschuppe aus den Intersternaltaschen zu bergen, benutzt die Arbeiterin die basitarsalen Bürsten des Hinterbeins. Das Herausholen der Schuppe aus der Tasche dauert etwa fünf Sekunden. Der anschliessende Transport der Schuppen zu den Mundwerkzeugen mit demselben Bein dauert nur 400 ms (vgl. Video unten).
Während des Verschliessens der Zelle steckt die Arbeiterin häufig ihre Antennen in das Verschlussloch der Zelle und legt ihre vorderen Tarsen auf den verlängerten Rand. Siefert et al. nehmen an, dass die Arbeiterin dies tut, um die Dicke des Deckels zu messen. Das Verschliessen wird sorgfältig an den Entwicklungszustand der Larve angepasst. Die Verpuppung der Larve beginnt, bevor die Zelle vollständig geschlossen ist (vgl. Video unten).
Zum Speichern von Nektar und Honig kriechen die Arbeiterinnen ventral nach oben in die Zelle. Die Nahrung wird dann aus dem Magen der Arbeiterin an die obere Zellwand regurgitiert und durch periodische halbkreisförmige Bewegungen verteilt (vgl. Video unten).
Wenn die Zelle bereits flüssige Nahrung enthält, tauchen die Mandibeln in diese ein. Für die gesamte Dauer des Vorgangs bleibt der Rüssel gefaltet und die Mandibeln werden offen gehalten. Da die Nahrung an der oberen Zellwand haftet und durch die Schwerkraft nach unten gezogen wird, kann die Zelle gleichmässig gefüllt werden, ohne dass die Arbeiterin die untere Hälfte der Zelle anvisiert. Flüssige Nahrung aus der gefüllten Zelle wird mit dem Rüssel aufgenommen. Ein Vorgang, der unabhängig von der Ausrichtung der Arbeiterin zur Zelle möglich ist.
Sobald eine Zelle inspiziert und als geeignet für die Pollenspeicherung befunden wurde, hält sich die Sammlerin mit ihren Prothorakalbeinen an der unteren Zellwand neben der inspizierten Zelle fest. Die Sammlerin umklammert die obere Zellwand mit ihren metathorakalen Beinen, während sie ihren gebogenen Hinterleib auf die untere Wand der geeigneten Zelle legt (vgl. Video unten).
Siefert et al. haben nicht beobachtet, dass die Arbeiterinnen ihre Metathoraxbeine nach unten in die Zelle schieben und frei darin hängen, wie es in früheren Berichten heisst. Stattdessen werden die Corbiculae (Pollenkörbe), die den Pollen enthalten, am Zelleingang positioniert, und die mittleren Beine bleiben frei. Die Arbeiterin benutzt dann die Mesothorax-Beine für ein paar langsame Bürsten entlang der Aussenseite der Hinterbeine, beginnend am oberen Ende der Tibia und sich dann von der Pollenmasse abwärts zur Corbicula-Oberfläche bewegend.
Nachdem die Pollenlast in die Zelle gefallen ist, säubert die Arbeiterin auf ähnliche Weise, aber mit schnelleren Bewegungen, alle Pollenreste an den Mittel- oder Hinterbeinen. Anschliessend hält sich die Arbeiterin mit den Pro- und Mesothoraxbeinen an der oberen Zellwand fest und reibt ihre Metathoraxbeine aneinander, um sie von kleinen Pollenresten zu befreien.
Der Pollen, der nun in der Zelle liegt, wird dann mit mehreren schnellen Bewegungen der Tarsen der Metathorakalbeine weiter in die Zelle geschoben.
Dieser Vorgang des Beinputzens und Pollenschiebens wird mehrmals wiederholt, bis die Beine frei von Pollenresten sind. Dann entfernt die Sammlerin ihre Beine und ihren Hinterleib aus der Zelle.
Danach schieben jüngere Bienen in der Nähe den Pollen mit geschlossenen Mandibeln und aufwärts schnippenden Bewegungen des Kopfes weiter in Richtung Zellenboden. Einmal geschah dies durch dieselbe Sammlerin, die nach dem Entladen des Pollens die Zelle wieder betrat (vgl. Video unten).
Verpackter Pollen an der Zellbasis wird aufgebrochen und in die Masse eingearbeitet. Während dieses Prozesses kann die Masse durch die Zugabe von Speichel, Nektar und Honig befeuchtet werden, um Bienenbrot zu erzeugen (vgl. Video unten).
Solange es in einem Bienenvolk Brut gibt, halten Honigbienen die Temperatur des umgebenden Brutbereichs bei 33-36°C. Um Anomalien in der Brut oder bei heranwachsenden Adulten zu vermeiden, verlassen sich Honigbienen auf verschiedene Verhaltensweisen zur Regulierung der Temperatur im Stock.
Der Prozess der Erwärmung des Brutbereichs umfasst die Ansammlung einzelner Arbeiterinnen, die Erzeugung von Stoffwechselwärme und die direkte Inkubation (bei der die Arbeiterinnen ihre Thoraxmuskeln durch Muskelkontraktionen erwärmen). Der Prozess der Abkühlung umfasst die Ausbreitung von Individuen, das Fächeln mit den Flügeln und die Wasserverdunstung.
Wenn die Temperatur des Bienenvolkes die Toleranzgrenze überschreitet, verteilen sich die Honigbienen auf den Waben und verlassen schliesslich den Bienenstock. Am Eingang des Bienenstocks beginnen die Arbeiterinnen zu fächeln. Die Wasserträgerinnen sammeln Wasser, um dieses im Bienenstock zu verdunsten. Diese aktive Erhöhung der Luftfeuchtigkeit kann auch die Entwicklung des Nachwuchses sicherstellen; allerdings hat das Brutnest nur eine relative Luftfeuchtigkeit von 30-50%. Diese wird normalerweise durch die Verdunstung des gespeicherten Nektars erreicht. Um eine Überhitzung zu vermeiden, übertragen die Bienen Tröpfchen mit klarer Flüssigkeit, meist auf die oberen Ränder der Brutzellen (vgl. Video unten) und verteilen sie möglicherweise auf eine Art und Weise, die der Ablagerung von Nektar in den Zellen ähnelt.
Da die Verdunstungskühlung ein dynamischer Prozess ist, können die Tröpfchen innerhalb von Minuten grösser und kleiner werden. Bei plötzlicher Überhitzung verwenden die Arbeiterinnen Nektar, bis die Wasserträgerinnen eintreffen. Die Kühlung kann auch erfolgen, wenn die Arbeiterin einen Tropfen zwischen Zunge und Kopf hält, während sie ihre Zunge wiederholt ein- und ausklappt. Diese Strategie wird zwar in erster Linie zur Kühlung verwendet, wird aber manchmal, wenn auch nicht immer, zur Reifung des Honigs eingesetzt.
Das Hygieneverhalten von Honigbienen ist vielfältig und umfasst u.a. das Entfernung und Vermeidung von Schimmel, Pilzen sowie Parasiten, welche das Überleben der Kolonie gefährden.
Arbeiterinnen zeigen diesbezüglich eine Reihe von Verhaltensweisen: Die Pflege des eigenen Körpers (Auto-Grooming) sowie die Pflege von Schwestern (Allo-Grooming), das Reinigen von Oberflächen (mittels «Schaukelbewegung»), Zellen oder Larven. Auch Kannibalismus gehört zum Hygieneverhalten der Honigbienen.
Kannibalismus ist eine effektive Möglichkeit für die Kolonie, Proteine zu recyceln und zu verhindern, dass Schimmel und Pilze auf verstorbenen Nachkommen wachsen.
Im Falle von Fehlentwicklungen oder diploiden Drohnen können die Nachkommen in jedem Stadium ihrer Entwicklung von den Arbeiterinnen kannibalisiert werden (vgl. Video unten), ausser während der letzten 72 Stunden, wenn die Cuticula aushärtet.
In den Beobachtungen von Siefert et.al. trat Kannibalismus meist ohne sichtbare Ursache auf. Dies könnte darauf hindeuten, dass Arbeiterinnen chemische Informationen nutzen, um kranken, verstorbenen, parasitierten oder fehlentwickelten Nachwuchs zu identifizieren.
Siefert et.al. haben zudem beobachtet, dass sich die Larven bis zu einem gewissen Grad während der Kannibalisierung bewegen konnten.
Wie der Honigbienennachwuchs können auch Varroamilben von Arbeiterinnen verzehrt werden. Allerdings nur, wenn die Cuticula noch nicht ausgehärtet ist (z.B. bei der weiblichen Proto- oder Deuteronymphe oder beim Männchen).
Siefert et.al. beobachteten den Milbenverzehr in einer Zelle, aus welcher gerade eine neue Arbeiterin geschlüpft ist (mit zwei erwachsenen weiblichen Milben). Zu ihrer Überraschung stellten sie bei zwei Arbeiterinnen, welche anschliessend die Zelle betraten, zwei unterschiedliche Reaktionen fest: Während die erste Arbeiterin ausschliesslich den Kot der Milbe entfernte, sprang die zweite, die nur ein paar Minuten später eintrat, mit gespreizten Mandibeln vor, nachdem sie die Deuteronymphe mit ihrer Antenne berührt hatte (vgl. Video unten). Beide Milben wurden dann verzehrt.
Arbeitsbienen zeigen ein spezielles Verhalten, um andere Nestgenossinnen zum Putzen einzuladen. Der sog. «Grooming Invitation Dance» beinhaltet schnelle Selbstreinigungsbewegungen mit den Beinen und ein Schwanken und Beugen des Körpers (vgl. Video unten).
Die mechanische Reinigung von Oberflächen innerhalb eines Bienenstocks ist auch als «Schaukelbewegung» bekannt. Dabei werden die Mandibeln der Arbeiterinnen und die Tarsen ihrer Vorderbeine als Schaber eingesetzt (vgl. Video unten).
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